episoden aus der neuen welt; ein roman -episode 10-

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...ach könnte ich doch nur etwas besser sehen. ich hätte es ein wenig leichter. das beste schnappen sie einem vor der nase weg. die besten kunden; das geld… und am automaten immer das gleiche. da stechen sie einem irgendwann das letzte brauchbare auge aus.

und das graue...? hässliche scheibe. ich sollte mir endlich ein glasauge einsetzen. tieraugen hab ich genug. …braune, schwarze. aber blaue...? niemand wirds stören. ein blaues und ein braunes. besser als die trübe linse. sie werden mich interessiert und wieder freundlich ansehen. dann klappts auch besser mit den scheinen.

 

na, los doch jetzt. stechs dir aus. ...mach es. ...komm schon. muss sein. weg mit dem nutzlosen ding. häßliche graue scheibe. kein wunder, dass sie mich meiden. …ohne betäubung? …das schaff ich nicht, nein. niemals… ich kann das nicht. die schmerzen. wie soll ich das… ich brauch eine betäubung. irgendein medikament; irgendwas womit ichs aushalten kann. ...morgen auf der medistation. aber ich habe keine scheine. ...mach schon, jetzt. schnell …nein, ich kann nicht. ...dann morgen. ja, spätestens morgen, da mach ichs. ohne alles. hab jetzt sowieso keine zeit; muss in die siedlung. ich brauch was zu beißen. ...und meine beine? ...die sind noch gut. kräftig sind sie; meine besten freunde. haben mich noch nie enttäuscht. genau wie meine hände. geschickte feinmotoriker. wenigstens etwas gutes an mir. etwas gutes braucht der mensch. mindestens ein geschick, um durchzukommen. mindestens eins. na, dann … raff dich auf. na, komm schon. komm. und fertig los, die brut aufscheuchen. die füsse hoch und laufen… laufen und aufscheuchen, das kann ich. auch mit dieser grauscheibe. das soll mir mal einer nachmachen. ja, das möcht ich sehen. mit einem auge den raum sich vorstellen. ha ... da kämen die meisten ins stolpern. schon nach 2 metern, wenn nicht sogar früher. ...ob ich da was fange, heute...? …tja, das wird sich zeigen. wie immer ungewiss. hoffen wir auf halbwegs freie bahn und gutes wetter. also dann, auf, auf zum fröhlichen jagen. auf in die… und wo ist mein netz…? hatte ich das nicht…? nein, hier ist es doch. und rein damit. das messer dazu und den kopfschutz… nützt auch nichts, wenn die dicken platten irgendwann runterkommen. und das werden sie, garantiert. da bleibt nichts weiter übrig als ein paar zertrümmerte knochen. warum diese blöden viecher sich auch genau dahin verkriechen. …wahrscheinlich denken sie, wo sie nur noch wenig büsche finden, in den düsteren kellern wären sie gut aufgehoben. womit sie fast recht haben. fast... wo ist bloß ihr berühmt berüchtigter instinkt? kein gefühl für den sicheren tod, wie bei kühen, die den tod schon vor dem schlachthof riechen. sieht ja ganz danach aus. da ist ihnen todsicher der instinkt abhanden gekommen, für den ort, wo der tod am dichtesten lauert. keine vorstellung von ihrer nächsten existenz? …ähm, scheinexistenz. und den drolligen posen, die sie einnehmen werden. haje, das ist ja wirklich ordentlich was schiefgelaufen. keinerlei gefühl für die lauernde tragödie. armselige existenz. wer möchte schon in ihrer haut stecken? ich nicht… apropos haut… ich hoffe freilich, dass heute abend einige häute auf meinem tisch landen ohne, dass ich mir auf der jagt nach ihnen wieder alles mögliche aufgerissen, zertrümmert oder gequetscht habe. wunschdenken, klar. überall ecken und kanten. herausgebrochene stahlstreben, an denen ich immer so gerne hängen bleibe. und die hervorspringenden containerteile, die immer so, ja… wie das ganze mal ausgesehen hat, als alles noch in takt war? einige stapel sind ja noch gut erhalten. muss ein irres leben gewesen sein, nur für schwindelfreie. einiges hat man ja gehört. hä, hä, hangeln von wohnkiste zu wohnkiste. muskelvergrößerung durch biegen von überhängenden stahlverstrebungen. oder ein sprung kopfüber durch die verbindungslöcher. kostenloser kurzeinblick in alle etagen. und, wenn man dann noch lebt, auf zu klimmzügen an verrosteten kellerrohren. spätestens dann hat man die decke auf dem kopf. wirklich entzückende vorstellung. aber hut ab, das war eine sportliche leistung. nix für mich jedenfalls. sind sie nicht zu anfang sogar über leitern an den außenwänden hochgeklettert...? das war...? mensch, die zeit rennt. ich will heute noch ankommen. raus aus der schnörkelkulisse hier. netz … messer, helm... alles dabei... ja, heute werde ich mich mal wieder auf fledermäuse konzentrieren. keine einfache sache. wenn die erst mal fliegen ist nichts mehr zu machen. im besten fall erwische ich sie beim kopulieren. da sind se ganz drin; da hängen sie aneinander vergessen ganz das fliegen. gute sache, wenn der schwanz erstmal drin ist. da brauch ich die nur noch absammeln. so einfach kanns sein, wenns gut läuft. nur manchmal sind die biester einfach unsichtbar. und außerdem muss ich mal wieder was großes fangen. nichts ausgestopftes mehr in petto. nur kleinkram. macht viel arbeit und bringt nichts ein. das ist ja nichts neues. also ran an die großen buletten. es ist jagdzeit. es ist marktzeit. und da zählt fast nur die größe. ob mir allerdings heute der grosse braten vor die nase läuft? …ja, das ist fraglich. letztes mal wars weniger erfolgreich. habe ich an den richtigen plätzen gesucht…? ich glaube, ich verliere zu schnell die den überblick. diesmal muss ich unbedingt einen plan zeichnen, solange ich die aufstellung der häuser noch im kopf habe. alles andere ist zeitverschwendung. keine lust dreimal in denselben keller zu laufen. alles schon gewesen. und nicht nur einmal. das muss aufhören, obwohl ich da doch lieber spontan bin. spontanität lässt einiges offen. ich könnte doch… nein, auf keinen fall. ich muss es jetzt angehen. wenn nicht jetzt wann sonst? schließlich wirds immer undurchsichtiger. die struktur ändert sich täglich. es wird sich schon wieder verändert haben. eines tages laufe ich nur noch im kreis, ohne die leiseste ahnung, wo ich mich gerade befinde. die ertragreichsten plätze unauffindbar. ich werd mich dumm und dusslig suchen.

es gibt einen hauptweg. der kommt in die mitte. links beginnt der stapel mit den... wieviel parzellen hat der turm? unten die erste koje aus beton. groß, so ungefähr fünfzig m². darüber nochmal beton. ziemlich runtergekommen das ganze. die vorderfront ist leicht aufgerissen und … überall hängen stahlstangen heraus. da reichen ein paar striche… so, und darüber? was sitzt da…? ein stahlkäfig. ziemlich niedrig. ein ausgewachsener mensch passt da unmöglich rein. war vielleicht ein laufstall für kleinkinder. oder ein hundezwinger oder...? für die zeichnung jedenfalls unwichtig. füge trotzdem eine randnotiz hinzu: hundezwinger; plus kleiner hundekopf. …schön. dann das nächste objekt oben drauf. holzblock mit fenstern. eine holzhütte auch eher für kleinwüchsige. sieht von unten ziemlich morsch aus. ein wunder, dass sie noch nicht zusammengefallen ist. randnotiz: kleine holzhütte. “m“ für morsch. das wars dann. moment ... und der keller? immerhin das wichtigste. hier jedoch unzugänglich, da er vollständig zugeschüttet ist. randnotiz: “k“ durchgestrichen. so der erste block steht. ...fehlt nur noch eine passende kennzeichnung. nehmen wir “h“ für haus, dann schrägstrich, vier für die aufgeschichteten parzellen. das wärs. …den nächsten block dann dicht daneben. haus zwei. haus zwei ist schmaler. wieder beton unten. zwei seitenfenster. die wände außen teilweise mit moos überzogen. ansonsten verdreckt. vorne großer offener eingang. innen sand, dreck. kellerzugang hinten links über steile treppe. im keller verstreute betonteile, holzplatten, dreck; vorwiegend von ratten aber auch von affen bewohnt. kleines fenster. ...ja, so … nur angedeutet zeichnen. keine details. zeitverschwendung. randnotiz: “k“ zugänglich, kleiner rattenkopf. nächster block darüber: wieder beton. gut erhalten. kaum moos. zwei seitenfenster. halb zugemauert. dazu noch ne notiz…? nur fenster schraffieren. keine extra randnotiz, also… und weiter im text. darüber kommen noch drei parzellen. alle ähnlich. wände teilweise bemoost. zwei seitenfenster. das ist schnell gezeichnet... dann noch die kennzeichnung: “h“ zwei, schrägstrich fünf. das wärs zu haus zwei. insgesamt gelungen. beim nächsten noch weniger details. muss heut noch fertig werden. die zeit vergeht auch ohne uhr. dann hierhin haus drei. drei parzellen übereinander. beton. viel grünzeug, das flächendeckend aus allen ritzen sprießt. zugang in die erste parzelle durch großen eingang vorne. keller jedoch nur von außen zugänglich, wenn man das zugänglich nennen will. eher schwerstarbeit, die dicke stahlplatte abzurücken. das dauert und geht nur milimeterweise. kaum alleine hinzukriegen. doch ich habe es das eine oder andere mal geschafft. erinnere mich noch an die fette beute da unten. schöner hase. glück gehabt. hatte es aber auch verdammt leicht. der konnte ja nirgendwohin. eingang gleich ausgang. tja, so kanns laufen. ziemlich pech gehabt. armes langohr. hat noch wie wild gezappelt. wäre mir in letzter sekunde beinahe noch entschlüpft, die sau. aber eben nur beinahe. und dann das befreiende knacken; ruhe, ruhe, ruhe für immer. hinterher habe ihn dann auch schön ausgestopft. mit aller erdenklichen sorgfalt fein gemacht fürn wagen. wo der jetzt wohl herumfährt? der sieht vielleicht noch was in seinem zweiten leben, wenn er an die richtigen geraten ist... so den keller muss ich extra kennzeichnen. da muss ich unbedingt wieder rein. vielleicht noch mal son fang. das wär schon was. oder ne ganze hasenfamilie. damit wäre das tagesgeschäft dann erledigt. also rot umranden. randnotiz: “k“, rotes ausrufezeichen. das steht für besonders wichtig. gut. wäre dem noch was hinzuzufügen? noch etwas vergessen...? drei zellen, beton, grünzeug aus rissen, keller außen. alles gezeichnet, alles gesagt. komme ich zur nächsten abteilung. haus vier. eine katastrophe. auseinandergebroche betonplatten. herausgeschlagene bruchstücke halten sich nur noch am gestänge. hier droht akute einsturzgefahr. nur einzelne halbwegs unbeschädigte platten bewahren das ganze vor dem totalen zusammenbruch, vorerst. die oberen zellen scheinen bereits vor langer zeit abgestürzt zu sein. unwetter? demontage? schwer zu sagen. das ganze fällt stark aus dem rahmen. die anderen türme sind zwar ebenfalls schwer demoliert anscheinend jedoch vollständig. das ganze werde ich nur mit ein paar schräg stehenden wänden andeuten. mehr ist da wirklich nicht nötig. …und der keller…? der keller… der keller geht innen von der unteren zelle ab. auch wohl kaum eine linie wert. halb zugeschüttet und sowieso kaum zugänglich. nur was für lebensmüde. auf jeden fall nur für lebensmüde. mich kriegt da jedenfalls keiner rein. völlig ausgeschlossen. und deshalb auch genau hierhin, für extrem lebensgefährlich, dickes rotes warndreieck. …zack. das ist deutlich. unmissverständlich. …ah, ja ... ob ich jetzt mal ne pause mache? schwitze entsetzlich. mein augen... ein taschentuch? ...hab ich. so… zeichne aber doch noch haus fünf. das krieg ich jetzt auch noch hin. danach ein paar minuten. haus fünf, da muss ich nachdenken. die parzellen sind … aus beton? nein, mein gedächtnis… die sind aus holz. der gesamte turm vollständig aus holz. und nebenbei nistet dort auch gerne allerhand vogelzeug. nicht selten exotisches. da gilt es ein auge drauf zu werfen. große seltene brocken haben den privilegierten noch immer erfreut. je größer, je bunter, desto besser. da zeigen se sich nicht geizig, die schlitzohren. allerdings muss man erst mal einen fangen. wenn man sie nicht gleich im nest packt, hat man kaum noch chancen die ausgeflogenen in der luft zu schnappen. flattern wild drauf los. hauen einem in der aufregung die breiten flügel ins gesicht oder mir den spitzen schnabel ins auge; ins letzte. da muss ich vorsichtig sein. trotzdem man muss es versuchen. am besten schutzbrille mit einpacken. das sollte ich. ich werde … später, später. bringen wir das hier zu ende. also haus fünf. starten wir... parzelle unten ... nach vorne offen. weiträumige fläche innen. wenig gerümpel; wirkt beinahe aufgeräumt. …in einigen balken größere hohlräume. vogelscheiße an wänden und auf dem boden. kann ich auch weglassen. ... und der keller...? ist über eine hoztreppe erreichbar. viele schwere balken. aushöhlungen, nester...

eik::
...nicht schlecht, wirklich.

ine:
was...?

eik:
die zeichnung meine ich.

ine:
ach so ja, stimmt. nicht schlecht was. bin zufrieden bisher.

eik:
hey, mark komm doch mal. hier gibts was zu sehen.

mark:
was denn? bin noch beschäftigt?

eik:
komm einfach rüber. mach schon. hier gibts kunst zu sehen. schöne zeichnungen. könnte dich interessieren.

mark:
...bin aber noch nicht fertig.

eik:
nun komm schon... was fummelst du da herum? das kann warten. also…

mark:
mein bein schmerzt. ich muss es zurechtrücken.

eik:
lass es einrasten und komm...

mark:
das sagst du so. meine scharniere sind abgewetzt. ...aber ich komm ja schon. …nichts bleibt einem erspart. ...tatsächlich, das ist kunst. eine sehr schöne zeichnung. das sind...

ine:
das sind häuser. kann man ja wohl eindeutig erkennen, oder?

mark:
ja … kann man, doch. aber die stehen übereinander statt nebeneinander.

ine:
das ist die stapelbausiedlung.

mark:
eine was?

ine:
die stapelbausiedlung. noch nie von gehört?

mark:
nicht dass ich wüsste.

eik:
ich habe davon gehört. es existieren nur noch ein paar davon, wenn ich das richtig in erinnerung habe. die meisten sind komplett zerstört. nur noch flache betonruinen.

ine:
die hier aber nicht, wie du siehst. schau hier, da stehen noch einige parzellen übereinander. dieser turm zum beispiel ist noch vollständig. und der hier ist auch halbwegs in schuss. und besonders wichtig: viele keller sind noch zugänglich. man kann dort einiges erbeuten.

eik:
das klingt ja höchst interessant. komisch, dass ich da noch nicht drauf gestoßen bin. wo liegt diese siedlung denn genau?

ine:
sie liegt nordöstlich von hier. ca. einen kilometer entfernt.

mark:
nur einen kilometer entfernt und wir haben davon noch nichts gehört. das kann ich kaum glauben.

ine:
das wundert mich nicht. denn die, die sie kennen schweigen. aus guten gründen.

mark:
ahja, da müssen ja wahre schätze liegen, dass alle so konsequent den mund halten.

ine:
das kann man wohl sagen. die siedlung ist ein beliebtes jagdgebiet. dahin haben sich viele tiere verzogen. das meiste ist allerdings kleinkram; mäuse ratten, hasen ein paar fledermäuse. gelegentlich hühner. allerdings, wenn du großes glück hast -ich habe selbst schon einen erlegt- kommt dir ein affe vor die linse, die haben so ihre bestimmten plätze. aber normalerweise suchen die schnell das weite, wenn sie dich einmal entdeckt haben. sind ja nicht blöd, wissen instinktiv was ihnen blüht. die haben kein interesse, auf dem präparationstisch zu landen und sich in ihrem zweiten leben als dekostück durch die gegend fahren zu lassen. na, jedenfalls, die ressourcen sind knapp, das wisst ihr ja. da hält man besser den mund, wenn sich so eine kleine fundgrube auftut. wer will denn heutzutage noch irgendwas teilen? …ja, so siehts denn aus. die zeiten sind hart. jeder will mit so wenig konkurrenz wie möglich an den dicksten braten ran. das ist normal. das gilt im übrigen auch für mich. nur leider vor euch lässt es sich jetzt nicht mehr verheimlichen. hätte besser im dunkeln gezeichnet.

mark:
das hättest du vielleicht. aber daran kannst du jetzt auch nichts mehr ändern. stimmts eik?

eik:
tatsache. und bei den aussichten dort in der siedlung auf frischfleisch zu stoßen, kannst du mit unserer anhänglichkeit rechnen. ein ausgeplaudertes geheimnis ist eben kein geheimnis mehr.

mark:
tja, wies aussieht hast du uns jetzt am hals.

ine:
das werden wir ja noch sehen. ich habe keinesfalls vor euch dahin mitzunehmen.

eik:
sei nicht so hartherzig. hier ist heute kein geschäft mehr zu machen. wenn der vollamputierte hier auftaucht gucken die anderen in die röhre. das kennst du ja.

ine:
deshalb habe ich mich auch im gegensatz zu euch rechtzeitig nach was anderem umgesehen. man muss flexibel bleiben. sich umsehen. also ums kurz zu machen, die mitleidsnummer zieht bei mir nicht. und außerdem: als wenn ich nicht schon genug stress hätte was anständiges ins netz zu bekommen. was denkt ihr eigentlich. das ist harte arbeit. und wenn ich euch zwei mützen so sehe, sieht das nicht nach großer hilfe aus. hey du, du kannst ja nicht mal anständig laufen, mit deinen krücken da. oder meinst du dir kommt der hase hinterher gelaufen? hä, das wär ja mal was.

eik:
aber verbal ist der ne kanone.

ine:
guter witz. hasen lassen sich nur selten bequatschen.

mark:
das nenn ich ne echte diskriminierung. du meinst also ich komm hier nicht vom fleck. falle gleich der nase lang hin, wenn ich mal einen zahn zulege. das meinst du doch oder?

ine:
so ungefähr. nach mehr siehts bei dir beim besten willen leider nicht aus. sonst könnte ich…

mark:
du irrst dich gewaltig; der schein trügt. du wärst froh, wenn du so ein bein hättest.

ine:
ach, nee … da kann ich herzlich drauf verzichten.

mark:
ah, ja … kannst du? dann sperr mal deine augen auf. das hier wird dein leben verändern.

ine:
na, schön wärs. also dann, zeig mal her was mein leben verändert. kanns kaum erwarten.

eik:
oho… jetzt werd ich aber auch neugierig. lass mal sehen.

mark:
fass mal hier an. ...komm schon. zier dich nich. hier auf den oberschenkel drücken.

eik:
jetzt gehst du aber aufs ganze.

ine:
auf deinen oberschenkel grapschen? was glaubst du...

mark:
nur mit dem finger... also los. drücken. einfach so... siehst du?

ine:
und dann...

mark: drück schon.

eik:
mach doch. so gefährlich wirds schon nicht werden.

ine:
das ist ja... das ist ja ganz hart. sind da steine drin? mensch, das is ja widerlich...

mark:
haha, mimöslein. von wegen steine, fällt dir nichts besseres ein? keine fantasie, was!

ine:
nee, da fällt mir nichts zu ein. das ist einfach nur…

mark:
...so jetzt geht mal zur seite und haltet euch gut fest. kleine überraschung.

eik:
was mach du da...? das...

mark:
beruhig dich. ich roll nur etwas haut nach oben. da komm ich besser dran; an den knopf.

eik:
an den knopf...? was fürn knopf?

ine:
mir wird schlecht.

mark:
hej, hej ihr beiden, da wird euch mal was geboten und ihr seht aus wie…

ine:
mensch, der fährtn bein aus.

eik:
das ist… was ist das? ich kanns nicht...

mark:
das, meine damen und herrn, ist eine vollautomatisch ausfahrbare beinprothese. das war mein hauptgewinn. preisausschreiben. ihr solltet gelegentlich dran teilnehmen, dann gibts auch für euch ein feines ersatzteil. direkt danach wurde mein oberschenkel ausgeschält. und die haut dient nur noch als tarnender lappen. perfekt. absolut perfekt.

eik:
das hast du verschwiegen.

mark:
hab ich.

eik:
dein stumpf eine tarnung.

mark.:
eine infektionsfreie verschalung.

eik:
vortäuschung falscher tatsachen, nenn ich das.

mark:
sei nicht traurig du weißt doch: jeder mensch hat so sein geheimnis

eik:
aber nicht so was. mit dem ding bist du schneller als ich.

mark:
wenns sein muss.

ine:
schluss jetzt. könntet ihr bitte eurer kleines gerangel auf später verschieben. das ist doch…

eik:
nein. können wir nicht.

mark:
das ist unmöglich.

eik:
wir werden das jetzt hier sofort klären. du hast mich…

ine:
haltet doch einfach mal die klappe, ja. alberner quatsch. so kommen wir nicht weiter. oder wollt ihr euch vielleicht noch kloppen, ihr deppen?

eik:
das ist sogar ziemlich wahrscheinlich. ich werde ihn…

ine:
bitte, ja. sei still. sei einfach still und beruhige dich. und hört mir jetzt mal genau zu, ja. also ich stelle fest: du hast also eine vollautomatische beinprothese. diese prothese kann sich bewegen. diese beinprothese kann sogar ziemlich schnell laufen. sehe ich das richtig?

mark:
diese, meine beinprothese, kann sich äußerst flexibel bewegen. hierzu stehen mir verschiedene modi zur verfügung. eine kleine demonstration gefällig.

ine:
bitte, später, ja.

eik.
ich kanns immer noch nicht fassen.

mark:
und selbstverständlich kann sie verdammt schnell laufen. das ist nur eine sache der einstellung

ine:
ah, ja… aber was machst du mit deinem anderen bein, wenn die prothese sehr schnell läuft? und dazu noch durchgehend. kommt es überhaupt mit, das andere? früher oder später wird jedes bein lahm. zumindest die echten. schleifst dus dann hinterher. hüpfst quasi nur auf deiner prothese wie auf einer feder davon. so eung, eung, eung ... hüpf ich wie ein frosch davon, ha, ha... eung, eung, eung. so ungefähr was hä...?

mark:
blödsinn. totaler quatsch. natürlich nicht.. nein, ich habe mein gesundes bein trainiert. heimlich versteht sich, sodass es natürlich locker auf jedem level mithalten kann.

eik:
wann? wo? ich jedenfalls habe nichts gesehen. ich kann mich an keine trainingsstunde erinnern. wann hast du trainiert. ich habe dich beobachtet.

mark:
du siehst nur was du sehen willst.

ine:
bitte. keine querelen. haltet doch einfach mal die schnauze, sonst wird das mit uns nix. also ich fasse jetzt noch einmal zusammen. der da kann… moment mal, wir haben vergessen einander vorzustellen. „der da“ klingt auf die dauer unhöflich. also dein name?

eik:
der heißt ab heute elektrobein.

mark;
ha, ha, sehr witzig. also, ich bin mark.

ine.
und du?

eik:
ganz einfach, eik.

ine:
mark und eik, also. ja, und ich, wenns euch interessier, bin ine. so, das hätten wir dann ein für alle mal geklärt. also ihr beiden folgendes: da sich unter uns eine wundersame laufmaschine befindet, habe ich mir gedacht: könnten wirs tatsächlich mal miteinander versuchen. also mark, um noch mal sicher zu gehen und alle mißverständnisse auszuschließen: du läufst so schnell wie ein voll funktionstüchtiger zweibeiner, rennen, hüpfen, springen; du kannst die ganze bandbreite menschlicher fortbewegungsvarianten abrufen, alles kein problem; liege ich da richtig?

mark:
absolut richtig

ine:
gut, dann bist du, wie ich das sehe, durchaus in der lage etwas vierbeiniges zu jagen?

mark:
na sicher, das biete sich doch förmlich so an, oder.

ine:
du bist mir schon ans herz gewachsen.

 

 

text und bild: ilka berger