Zwischen unsinnigen Boykottaufrufen und politischer Heuchelei meldet sich auch die Kultur zu Wort: „Die Schließung des NOKIA-Werkes in Bochum bedeutet auch einen Rückschlag für die Idee der Kulturhauptstadt Europas 2010,.... Die Idee dieser Kulturhauptstadt steht für den Wandel vom Bergbau zur innovativen Industrie, insbesondere im Bereich der Informationstechnologie." Das meint Fritz Pleitgen - und ich fürchte, er meint es ernst. Zur Erinnerung: Er spricht über Mobiltelefone, ein Produkt, das im Produktlebenszyklus längst in der Reifephase angekommen ist und an Innovationen nur noch Schnickschnack hervorbringt. Und das ist also der erwünschte Wandel im Ruhrgebiet. Ne, danke. Wes Geistes Kind sind wir hier eigentlich?
Wir lernen z.B. vom guten Rolf Jansen (aus dem Hause Ruhrwärts), dass NRW größer ist als Finnland und daher Nokia zu spüren bekommen werde, wenn hier die Finnenphone boykottiert werden. In der Realität dürften wohl in jeder rumänischen Stadt täglich mehr finnische Sprechapparate gekauft werden als hierzulande in einem ganzen Monat. Nokia geht nicht nur, weil sie hier alles an Fördermitteln abgezockt haben, was drin war (aber sicher auch), sondern weil sich die Absatzmärkte verlagert haben. Sonst würden sie übrigens immer noch in Finnland produzieren. Hat mal jemand die Finnen gefragt, was sie dachten, als Nokia mit Fördermitteln ins Ruhrgebiet gelockt wurde? Haben die damals auch demonstriert, als sich hier das europäische und nrw-lerische Füllhorn öffnete? Das ist national eingefärbte Heuchelei, die wir mal schnell wieder vergessen wollen.
Grüßen wir lieber die Geister, wie wir in unsere Region riefen: Global agierende Unternehmen, die sich im Standortwettbewerb der Regionen die Filetstücke heraussuchen. Und das Ruhrgebiet ganz vorne mit dabei - mit der Kulturhauptstadt RUHR.2010 als neuem Argument - jetzt, da die Fördermittel hierzulande nicht mehr ganz so sprudeln. Und jetzt wissen wir auch, was die Kulturhauptstadt tatsächlich wert ist in diesem Standortwettbewerb - nix nämlich. Die rumänischen Argumente sind die besseren.
Um das mal klarzustellen: Nokia hat sich scheiße verhalten, aber unternehmerisch wohl korrekt. Und es ist davon auszugehen, dass jeder der Global Player in Essen und dem Ruhrgebiet, von denen der gute Fritz Pleitgen und die hiesige Kultur Millionen für die Kulturhauptstadt erwarten, genau so handeln würden und handeln - irgendwo da draußen in der Welt, in der Moral und Kultur nicht mehr viel zählen, es sei denn, es handelt sich um Unternehmenskultur. Das nennt man wohl creative industries. Da kann der Gorny einpacken. Willkommen im Wettbewerb der Metropolen.
www.ruhr2010.de
www.nokia.de
www.ruhrwaerts.de